19.11.2009
Um 6 Uhr ist Wecken. Die Freunde sind schnell wach. Dann
macht Nelianis sich daran, den Herr Ritter aus den Träumen zu holen. Nach
einem Klopfen tritt er in das Zimmer und beginnt die Kleidung für seine Wohlgeborenheit zusammen zustellen. Tobrin blinzelt den
Almadaner verschafen an.
„Ihr müsst Euch erheben, Herr. Es haben sich gestern Abend
noch Neuigkeiten ergeben, die einen sofortigen Aufbruch fordern.“ beginnt
Nelianis dem Ritter die Neuigkeiten zu erzählen.
„Die beiden Väter haben uns gestanden, dass sie sehr wohl
wissen, wo sich ihre Kinder ungefähr befinden und wie sie verschwunden sind.
Sie trauten sich nur nicht, gleich damit heraus zu kommen, weil es alle
bisherigen Helfer sofort abgeschreckt hat.“ Während er dem jetzt doch sehr
misstrauisch dreinblickenden Ritter beim Ankleiden hilft, plappert Nelianis
munter weiter. „Ich habe die beiden Herren natürlich sofort beruhigt, dass
dies bei einem Ritter und seinem Gefolge nicht passieren wird, auch wenn die
Aufgabe etwas gefährlicher wird.“
„Was denn für eine Gefahr?“ Auf Tobrins Gesicht erkennt
man deutlich, dass er sich leicht überrumpelt fühlt.
„Nun, die Väter haben beobachtet, wie ein junger
Großdrache ihre Kinder davon trug. Er muss sie in seinen Horst im nördlichen
Kosch getragen haben. Einen Drachen zu jagen, selbst wenn er noch jung ist,
ist natürlich nichts für das übliche Abenteurer-Gesocks.
Aber einen Ritter wird die Aussicht, mit einem guten Lanzenstich eine solche
Bestie zu töten, sicher nicht beunruhigen, oder Herr?“ Der Caballero schaut
den Ritter mit einem herausfordernden Blick an. Der hat die Stirn nun tief in
Falten gelegt.
„Ein Drache?“ Es macht sich langsam Ärger auf seinem
Gesicht breit. Als er weitere Luft für eine Gegenrede holen will, fährt der
Almadaner mit seinem Geplapper fort:
„Drachenhaar macht sich ervorragend
auf dem Helmbusch und eine Rüstung aus Drachenschuppen ist nahezu
unbezahlbar. - Wir müssen natürlich zuerst den Hort des Drachen finden, bevor
wir Euch zum Lanzenreiten antreten lassen können. Dann treiben wir das Vieh
in Eure Bahn und Ihr erstecht es. Was für einen Ruhm werdet Ihr beim nächsten
Turnier dafür ernten!“ Nelianis zieht dem skeptisch blickenden Ritter die
letzte Falte aus dem Überwurf und betrachtet sein Kammerdiener-Werk noch
einmal.
In Tobrins Kopf arbeitet es sichtlich. Einen Drachenhort!
Der sollte die Kasse durchaus auffüllen können. Und das mit der Ehre, eine
solche Bestie bereits in Jugendjahren erledigt zu haben, ist auch nicht von
der Hand zu weisen. Während die beiden Männer sich zum Frühstück in die Stube
begeben, grübelt Tobrin weiter.
„Man kann einen Drachen aber nicht einfach mit einer Lanze
erdolchen!“ wirft er ein.
„Sicher nicht. Ich habe dem Herrn Zwerg bereits
aufgetragen seine Verwandtschaft im Kosch mit dem Schmieden eines geeigneten
Werkstückes zu beginnen. Wenn Ihr Euch schon bereit erklärt, einen Zwergenjungen aus den Fängen eines Drachen zu befreien,
dann können die Meisterschmiede wenigstens die Waffe dazu beitragen.“
Der Wirt hat das Essen bereits aufgetragen und die anderen
Freunde sitzen an ihrem Tisch und tafeln. Mit neugierigen Blicken schauen sie,
wie der großmäulige Ritter denn die Nachricht vom Drachenkampf aufgenommen
hat. Als Nelianis ihn an seinen Platz gesetzt hat, grinst Tobrin breit. In
seinem Kopf sieht er sich den goldglänzenden Schatzhort des Drachen
begutachten und seinem Gefolge voll Großzügigkeit einige Brocken davon
zuwerfen.
Nelianis wendet sich nun dem noch recht verkatert
dreinschauenden Zwergenvater zu. „Habt Ihr schon
einen Brief an Eure Verwandten aufgesetzt? -
Wegen der Lanze?“
Der Zwerg schaut sich Hilfesuchend zu dem Elfenvater um.
Der erklärt seinem Freund leise die Situation in der Zwergensprache.
Beide Zwerge schauen nun mit großen Augen, als sie von der geplanten
Drachenjagd des Ritters erfahren. Nach kurzem Nachdenken nickt der Zwerg aber
sofort Nelianis zu.
„Ich werde einem Vetter in Xorlosch
schreiben. Der kennt sich mit sowas gut aus und kann es organisieren!“
„Sehr gut. Wir planen inzwischen, wie wir den Drachen im
Gebirge ausfindig machen und Euch zutreiben können. Ihr solltet die Zeit
nutzen, mit einem Nachbau die Besonderheiten des Drachenstechens zu üben,
damit es dann auch gleich gelingt!“ erklärt Nelianis weiter, während er dem
Ritter Tee einschenkt und die Speisen richtet.
„Mit Drachenlanzen kennen sich die Xorlosch-Zwerge
besonders gut aus!“ Beginnt nun auch Tobrin zu dozieren. „Aber sie müssen
daran denken, dass wir keinen gewöhnlichen Mehrpersonen-Spieß benötigen, wie
ihn Zwerge üblicherweise benutzen. Ich brauche eine Reiterlanze!“
Der Zwergenvater hat sorgfältig
zugehört. Nun setzt er sich an eine freien Tisch und beginnt mit Hilfe des
Elfen seinen Brief zu schreiben, während auch Nelianis mit dem Essen beginnt.
Es wird ausführlich die benötigte Lanze beschrieben, die die Zwergenschmiede fertigen sollen. Als alle satt sind, ist
auch der Brief fertig und kann von Walkir zum Botenexpress gebracht werden,
während die anderen für die Reise packen. Es geht umgehend nach Angbar zur
Drachenjagd, während der Bote Wigald sich auf den
Weg nach Xorlosch macht.
Die Gruppe reist auf der Reichsstraße über Abilacht, Honingen, Gratenfels und den Greifenpass nach Angbar. Als
man nach einigen Tagen sich dem Greifenpass nähert,
werden alle etwas nervös. Hier muss man ständig mit Überfällen durch Banditen
rechnen. Die Soldaten können die Räuber in den Bergen nur schwer verfolgen
und so hat sich hier eine richtige Raubindustrie entwickelt. Der dichte Wald
zu beiden Seiten der Straße fördert die Arbeit dieser Strolche noch
zusätzlich.
Auf einmal stellen sich bei Nelianis alle Nackenhaare auf.
Er zuckt zusammen und raunt den Gefährten neben sich eine Warnung zu. Alle
schauen sich genau die Büsche und Bäume am Wegesrand an. Da kann man
tatsächlich einige Gestalten im Grün entdecken, die offensichtlich lauern.
Schnell haben alle die Waffen bereit und warten auf den Überfall. Tobrin
lässt sich seine Lanze vom Gepäckwagen reichen. Er will schon mal üben.
Gerade ist er bereit, da hält Sahil es nicht mehr aus.
„Tretet vor, Ihr Strolche! Wenn Ihr was von uns wollt,
zeigt Euch!“ ruft er laut in die Büsche. Es dauert einige Sekunden, dann
rührt sich tatsächlich was im Grün und insgesamt 10 recht lumpige Gestalten
in schadhaften Rüstungen und mit schartigen Säbeln und Knüppeln bewaffnet
treten aus den Büschen und kreisen die Reisegruppe geschickt und schnell ein.
„Ergebt Euch oder empfangt die gerechte Strafe!“ ruft
Tobrin jetzt den Kerlen zu. Beim Anblick des lausig gerüsteten Haufens muss
er müde lächeln.
„Gebt Euer Geld heraus, damit Ihr weiter reisen dürft!“
entgegnet ein etwas besser gekleideter Strolch vor der Gruppe. Er ist wohl
der Anführer.
„Ihr legt Euch mit einem Ritter von Weiden an!“ warnt
Tobrin ihn noch einmal. Aber die Kerle machen keine Anstalten, sich zu
verziehen. Im Gegenteil. Sie scheinen sehr von sich überzeugt. Also werden
die Waffen gezogen und der Kampf beginnt.
Während alle Fußgänger die Räuber in Gefechte verwickeln
brüllt der Anführer Anweisungen und bleibt einige Meter hinter seinen Leuten
zurück. Tobrin packt seine Lanze fester und lässt sein Pferd angaloppieren.
Oiodin und der Elfenvater blenden die Räuber zunächst mit Magie, bevor sie
einige gezielte Bogenschüsse abgeben. Sahil versucht mit einem Sturmangriff
einen der Räuber niederzustrecken, stolpert aber und verletzt sich selber,
als er auf seine Waffe fällt. Zum Glück ist der Schaden nicht zu schwer.
Tobrin hat die Lanze auf den Anführer ausgerichtet, der
kann aber zur Seite wegtauchen und der Ritter galoppiert vorbei. Die Räuber
sind sehr gute Verteidiger. Tobrin kann sein Pferd schnell wenden und
erwischt den Anführer auf dem Rückweg mit der Lanze von hinten, weil der
aufpassen muss, wo die Elfen als nächstes hin schießen. Sie haben ihm bereits
eine ordentliche Kopfwunde verpasst.
Als der Anführer mit der Lanze im Rücken am Boden
festgesteckt wird, macht sich Entsetzen in den Gesichtern seiner Leute breit.
Schnell winden sie sich aus den Kämpfen und verziehen sich in die Büsche
zurück. Man hört noch ein sich entfernendes Knacken im Unterholz, dann ist es
wieder still.
„Sollen wir sie verfolgen?“ fragt Kratosch kampflustig.
Die drei Toten auf dem Weg reichen dem Zwerg offensichtlich nicht.
„Nein, lieber nicht. Wir haben wichtigeres zu tun, als dem
örtlichen Baron seine Pflichten abzunehmen!“ grummelt Tobrin, als er seine
Lanze aus dem Körper des Räubers zieht und das Blut an der Spitze betrachtet.
Nelianis nimmt sie ihm ab, legt sie auf den Gepäckwagen zurück und wischt den Dreck grob ab.
„Lasst uns eilig weiter reisen, damit wir Angbar morgen
erreichen.“ meint der Almadaner und schaut sich noch einmal in Richtung der
Büsche um. Alle richten ihre Kleidung und versorgen die Wunden ein wenig,
bevor sie ihren Weg schnell fortsetzen. Als sie später eine Rast machen,
kümmern sie sich richtig um die Schnitte, die man einstecken musste. Die
Räuber waren auf jeden Fall keine Buschstrolche, wie man sie erwartet hatte,
sondern haben einen guten Kampf geliefert.
Am nächsten Tag erreichen sie Angbar. Als der Zwerg die
Gäste in sein Haus führt, begrüßt ihn seine Frau mit einem Antwortschreiben
aus Xorlosch, was bereits gestern eingetroffen ist.
Die Verwandten dort sind bereit eine Lanze zu fertigen und werden sie auch in
zwei Wochen liefern können. Solange haben die Freunde Zeit, den Drachen zu
finden, und Tobrin kann noch etwas trainieren.
Gleich nach einem kräftigen Zwergeneintopf
ordert der Ritter ein passendes Trainingsgerüst, was die ungefähre Größe des
Drachen darstellt. Kratosch macht sich sofort an die Arbeit die Anweisungen
des Ritters umzusetzten.
Sahil, Walkir und Oiodin schauen sich die waldbedeckten
Berge an, wo der Drache hin verschwunden ist. Das Untier dort zu finden, wird
nicht leicht. Nelianis zieht den Zwergenvater bei
Seite und fragt ihn nach der „angemessenen Belohnung“, die versprochen worden
ist.
„Äh, Ihr könnt die Lanze behalten!“ versucht der kleine
Geselle sich heraus zu winden.
„Das wird der Ritter nicht akzeptieren. Er hat einige
Ausgaben, die allein schon die Reise verursacht hat. Dann kommt auf jeden
Fall ein gewisser Lohn dazu, den er auch seinem Gefolge zahlen muss, damit
wir ihm folgen.“ Bei dieser Erklärung lächelt Nelianis den Zwergen Verständnis
suchend an. Der nickt ihm zustimmend zu.
„Ich verstehe Euch, Herr. Aber wir haben nicht viel, was
wir bezahlen können.“
„Dann müsst Ihr damit rechnen, dass der Ritter die beiden
befreiten Kinder als Leibeigene ihre Schuld abarbeiten lässt. Das würde ich
Euch allerdings nicht unbedingt anraten!“
„Ich werde es mit der Familie besprechen, was wir Euch
bieten können. Wenn wir zusammen legen, wird es hoffentlich reichen!“ meint
der Zwerg nun etwas kleinlaut. „Wir mussten doch jemanden finden, der unsere
armen Kinder rettet. Und alle anderen sind immer gleich geflohen, wenn wir
von dem Drachen erzählt haben.“
„Ich verstehe Euch, Herr. Aber Ihr müsst auch uns
verstehen. Der Ritter hatte eine teure Ausbildung und muss seinen Unterhalt
auch bezahlen. Und seine Begleiter wollen auch versorgt sein, bis uns ein
besser ausgestatteter Herr einstellt. - Ihr redet mit Eurer Familie und der
des Elfenjungen und dann werden wir sehen. Zur Not müssen die Kinder halt für
den Ritter arbeiten. Da lernen sie sicher nützliche Dinge!“ versucht Nelianis
den Vater etwas zu beruhigen. Dennoch bleibt ein Schatten der Sorge auf
dessen Gesicht zurück.
Am nächsten Tag beginnen Kratosch und Tobrin das
Drachenstechen zu üben. Oiodin, Walkir, Sahil und Nelianis lassen sich von
dem Elfenvater die Stelle im Wald zeigen, wo die Kinder gespielt haben. Es
ist ein erhöhtes Plateau eine ganze Stunde vom Ort entfernt mitten im Wald.
Bäume stehen um den Platz herum, so dass die Väter das Greifen der Kinder
selber nicht sehen konnten. Sie sahen aber deutlich, wie der Drache mit dem
Zwerg im Griff davon flog und der Elfenjunge mit beiden Armen die Beine
seines Freundes gepackt hatte und mitgerissen worden ist. Der Drache ist
Richtung Nordwesten im Gebirge verschwunden.
Als die Freunde das Plateau erreichen, beginnen sie sofort
nach Kampfspuren zu suchen. Tatsächlich sind in den Büschen und Bäumen
Schäden zu finden, die der große Drache beim Packen der Kinder hinterlassen
hat. Er muss hier herum gehüpft sein, bis er den Zwergen gepackt bekommen hat.
Oiodin ruft einen Falken herbei, den er beauftragt, aus
der Luft nach dem Drachen und seinen Opfern zu suchen. Der Vogel verschwindet
in den Bergen. Sorgfältig schauen sich die Helden nun alle Äste und Steine
hier oben an. Was haben die Kinder so weit von Zuhause getrieben?
Eine Stunde später kommt der Falke zurück. Er hat
Anzeichen des Drachen gefunden, übermittelt er Oiodin. Und er hat die Kinder
noch lebend gefunden. Die Suche ist also nicht umsonst.
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